SEM-Risikomanagement im Kontext der SAP Balanced Scorecard
Natürlich ist das in einer Balanced Scorecard abgebildete Unternehmenszielsystem
mit den unterstellten Zusammenhängen und Vorgabewerten
idealisiert dargestellt, und es wäre unrealistisch, anzunehmen, die Vorgabewerte
würden in der Realität immer erreicht. Tatsächlich wirken im Unternehmensalltag eine Vielzahl von Risiken auf
das Zielsystem ein. Sie dürfen aus mindestens drei Gründen nicht ignoriert
werden:
1. Die Vorschriften des Gesetzes über Kontrolle und Transparenz im
Unternehmensbereich (KonTraG) verpflichten zur Darstellung von Risiken
zukünftiger Entwicklungen im Konzernlagebericht.
2. Der Sarbanes-Oxley Act zwingt Unternehmen im Finanzbereich zu
einer dezidierten Auseinandersetzung mit Risiken.
3. Die Risiken sind wichtige Frühindikatoren im Kontext eines Zielsystems.
Um diesen Einflüssen auf die unternehmerischen Zielsysteme gereicht
werden zu können, enthält SAP SEM auch eine Funktion Risikomanagement.
Es muss immer im Kontext einer SAP Balanced Scorecard ablaufen
– d.h., das SEM-Risikomanagement bezieht sich immer auf Kennzahlen in
Balanced Scorecards. Wenn Sie finanzielle Risiken managen möchten,
nutzen Sie besser Lösungen wie das SAP Credit Management für Adressausfallsrisiken
und SAP Treasury und Risk Management für Kredit- und
Marktrisiken bei Finanzgeschäften. Auch betrachtet das SEM-Risikomanagement
lediglich den wertmäßigen Einfluss von Risiken in verschiedenen
Szenarien. Die Gewichtung mit Eintrittswahrscheinlichkeiten ist nicht
möglich.
Technisch betrachtet führt das SEM-Risikomanagement zu einer Erweiterung
der Balanced Scorecard um zusätzliche Elemente – die Risiken. Die
Identifikation dieser Risiken und ihre Dokumentation in Risikokatalogen
sind der erste Schritt des Risiko-Controllings. Für den nächsten Schritt im
Risiko-Controlling, die Qualifizierung und Quantifizierung, integrieren Sie
die Risiken dann in die Balanced Scorecard, wo sie in der Analysesicht
dargestellt werden. Von hier ist auch der Absprung in die Bewertung und
die Beurteilung der einzelnen Risiken möglich.
Der Grundgedanke im dargestellten Beispiel aus Abbildung 10.19 ist, dass
der Jahreszielwert für den Umsatz durch Wechselkursrisiken und neue
Wettbewerber gefährdet ist. Daher wird in der Spalte Expectation der
Jahreszielwert (Wertfeld Target) um den Betrag des Risikos reduziert. Das
bedeutet: Wird das Risiko schlagend, wird der um den Wert des Risikos
bereinigte Zielwert als wahrscheinlicher Jahresumsatz angenommen. In
dieser Spalte können Sie aber auch umschalten auf andere Risikowertfelder,
wie Bestcase oder Worstcase (hier ausgeblendet).
Risikobewertung
Die Bewertung des Risikos können Sie auch manuell vornehmen – in diesem Fall navigieren Sie auf die Detailsicht zur entsprechenden Kennzahl
und nehmen dort, wie es Abbildung 10.20 zeigt, die Bewertung vor. Sie
müssen diese Bewertung dann rollierend in jeder Periode anpassen. Möglicherweise
ist es produktiver, wenn Sie auch hier die Planungsfunktionalitäten
nutzen, um die Risiken im Verbund mit den Kennzahlenwerten zu
planen. Das System erlaubt Ihnen übrigens, Szenarien zu kombinieren:
Sie können z.B. Ihre Risikowertfelder nach Bestcase/Worstcase/Erwartungswert
ausprägen und darauf gleichzeitig zwei unterschiedliche
Bewertungen erfassen: Eine unter der Annahme, die ergriffenen Risikomaßnahmen
seien erfolgreich, die zweite unter der Annahme der Wirkungslosigkeit.
Periode schließen
Sind die Bewertungsaktivitäten abgeschlossen, können Sie ähnlich wie in
der Finanzbuchhaltung in mySAP ERP »die Periode schließen«, das heißt:
Die Risikoeinschätzungen können von den Risikoverantwortlichen dann
nicht mehr geändert werden, die Daten sind gesperrt. Auch diese Funktion
hat ihren Hintergrund in Normen wie etwa dem KonTraG. Damit Sie
Änderungen nachvollziehen können, haben Sie außerdem die Möglichkeit,
ein Protokoll mitlaufen zu lassen.
Wichtig für das Risiko-Controlling, aber auch mit Blick auf die Veröffentlichungspflichten,
ist die periodische Beurteilung jedes Risikos durch die
Risikoverantwortlichen. Hierfür wird meist in Relation zum Zielwert und
der risikobedingten Abweichung automatisch oder manuell ein Systemstatus
festgelegt. Übrigens können Sie Risiken auch periodisch über mehrere
Scorecards aggregieren – dadurch ist gewährleistet, dass Sie auch auf
der Konzernebene über Risiken bei untergeordneten Einheiten informiert
sind.
Das Reporting schließlich erfolgt im Kontext der SAP Balanced Scorecard.
Wenn eine Scorecard in das Risikomanagement eingeschlossen ist, sind
die verschiedenen Darstellungsoptionen der Analysesicht jeweils um die
Entität Risiko erweitert. Außerdem gibt es dann in der Analysesicht auch
eine zusätzliche risikozentrierte Sicht auf die Balanced Scorecard, die sich
primär an den Risiko-Controller wendet.
Einstellungen zum Risikomanagement
Wenn Sie das Risikomanagement in SAP SEM nutzen wollen, pflegen Sie
zunächst alle relevanten Risiken in Risikokataloge ein. Dabei werden dieselben
Prinzipien angewandt wie bei den Kennzahlenkatalogen.
Danach nehmen Sie die eigentlichen Einstellungen für das Risikomanagement
vor. Das heißt, Sie teilen dem System mit, welche Risikowertfelder
Sie zur Abbildung von Bestcase-/Worstcase-Szenarien verwenden und
wie sich der Risikostatus zu einer Kennzahl ermitteln soll. Sie können hier
auch einstellen, dass das System Sie benachrichtigt, wenn Schwellenwerte nicht eingehalten werden. Schließlich beschreiben Sie für Ihr
Risiko-Controlling auch Aktivitäten, mit denen Sie den Risiken entgegenwirken
möchten, etwa mit Hedging-Geschäften im Fall von Währungsrisiken.
Martin Strohmeier und Jörg Siebert I Quelle: SAP PRESS Buch mySAP ERP Financials"