Creditreform hat vor Kurzem den Bonitätsindex2.0 eingeführt. Volker Ulbricht,
Hauptgeschäftsführer Verband der Vereine Creditreform e.V., erläutert im Interview
mit dem Credit Manager, was die Nutzer von dem neuen Angebot erwarten
können.
CM: Vor kurzem hat Creditreform den Bonitätsindex2.0 eingeführt. Warum?
Ulbricht: „Die Weiterentwicklung zum Bonitätsindex2.0 wurde möglich, weil der Umfang der Datenbasis in den
vergangenen Jahren erheblich angewachsen ist. Zwei Informationsquellen können wir aufgrund ihrer gestiegenen
Verfügbarkeit bei der Berechnung des Bonitätsindex2.0 noch stärker gewichten als bisher: So erfassen wir in massiv
gestiegenem Ausmaß die ZahIungserfahrungen deutscher Unternehmen im Debitorenregister Deutschland und
werten sie systematisch aus. Hinzukommen Jahresabschlussdaten, die dank der Publizitätswelle in Deutschland
inzwischen in millionenfacher Anzahl zur Verfügung stehen. Diese Informationen werden von uns in einer
Datenbank strukturiert erfasst, analysiert und so für die Bonitätsbewertung nutzbar gemacht.
Mit der Weiterentwicklung zum Bonitätsindex2.0 werden darüber hinaus auch Veränderungen in der Struktur der
deutschen Wirtschaft sowie Änderungen der Ausfallwahrscheinlichkeiten in einigen Branchen oder Rechtsformen
berücksichtigt. So ist die Ausfallwahrscheinlichkeit bei Gewerbebetrieben in den vergangenen Jahren stark angestiegen,
bei der Gesellschaftsform GmbH & Co. KG hingegen gesunken.“
CM: Worin bestehen die wichtigsten Neuerungen?
Ulbricht: „Um den unterschiedlichen Ausfallrisiken der Unternehmen in Deutschland gerecht zu werden,
wurden drei Rechtsformen-Cluster gebildet. Dabei variiert die genaue Merkmalszusammensetzung und die
Gewichtung der einzelnen Auskunftsmerkmale je nach Cluster. Neu ist auch, dass der Bonitätsindex2.0 in der
Auskunft zusammen mit einer punktgenauen Angabe zur Ausfallwahrscheinlichkeit des jeweiligen Unternehmens
bei einem Zeithorizont von zwölf Monaten angezeigt wird.“
CM: Durch den Bonitätsindex2.0 soll die Zahl der Unternehmen in den mittleren Risikoklassen tendenziell
reduziert werden. Besteht nicht die Gefahr einer unangemessenen Vereinfachung - sprich einer „Schwarz-
Weiß-Malerei“?
Ulbricht: „Das Gegenteil ist der Fall. Schon das bisherige Bewertungssystem des Bonitätsindex war auf die zur
Verfügung stehenden Daten abgestimmt und hat den Anforderungen an die Qualität eines Auskunftssystems
entsprochen. Die jetzt erfolgte Weiterentwicklung wirkt sich vor allem in den mittleren Risikoklassen
durch eine noch kleinteiligere und differenziertere Bonitätsbewertung aus. Grundlage sind verfeinerte Bewertungsverfahren
und eine deutlich ausgebaute Informationsbasis. Damit verbunden ist ein Zugewinn an Bewertungssicherheit
und Transparenz.“
CM: Im Durchschnitt werden alle Unternehmen mit Hilfe des Bonitätsindex2.0 um neun Punkte besser bewertet
als bisher. Was bedeutet dies für die Arbeit der Credit Manager?
Ulbricht: „Die Veränderung der dreistelligen Ausprägung des Bonitätsindex allein ist nicht entscheidend. Viel
wichtiger ist die Frage, wie sich die mit dem jeweiligen Indexwert korrespondierende Ausfallwahrscheinlichkeit
verändert. Der Bonitätsindex2.0 wird dazu in den verschiedenen Produktformaten unserer neuen Auskunftsgeneration
zusammen mit einer punktoder risikoklassengenauen Angabe zur Ausfallwahrscheinlichkeit ausgeworfen.
Beides zusammen liefert Credit Managern eine fundierte Grundlage für Kreditentscheidungen. Bestehende
Cut-Off-Grenzen können auf Basis der Ausfallwahrscheinlichkeit gemäß Bonitätsindex2.0 individuell auf die Besonderheiten
der jeweiligen Geschäftspartnerportfolien angepasst werden.“
CM: Wie groß ist der Aufwand für die Anpassung integrierter Scoring- und Entscheidungssysteme an den Bonitätsindex2.0
für die Unternehmen?
Ulbricht: „Die Scoring- und Entscheidungssysteme unserer Kunden sind auf den bisherigen Bonitätsindex abgestimmt
und optimiert. Entsprechend ist der Einfluss des Merkmals Bonitätsindex auf die bisherigen Werte eingestellt.
Da sich die Index-Werte und die dazugehörigen Ausfallwahrscheinlichkeiten durch die Modifizierung
verändern, muss der Einfluss des Bonitätsindex2.0 in die Risikomanagementsysteme neu ausgerichtet werden. Als
Grundlage für eine empirische Analyse zur Kalibrierung von Scoring- oder Entscheidungssystemen bietet Creditreform
Abweichungsanalysen an. Damit wird die zusätzlich gewonnene Trennschärfe des Bonitätsindex2.0 optimal
genutzt. Zudem ist der Bonitätsindex2.0 wie die neue Auskunftsgeneration von Creditreform in strukturierter Form nur
über die aktuelle Version der Creditreform Online-Schnittstelle verfügbar.
Insofern sind die weiterverarbeitenden Risikomanagementsysteme, sofern sie nicht aus dem Haus Creditreform kommen,
anzupassen. Die Creditreform eigenen Plattformen wie CrefoScore, CrefoSystem oder CrefoSprint sind
schon bzw. werden mit der neuen Funktionalität ausgestattet. Wichtig ist, dass der Bonitätsindex sowohl in
der bisherigen Version als auch in der Ausprägung 2.0 auf absehbare Zeit parallel über die Schnittstelle ausgeliefert
wird. Somit können unsere Kunden abhängig von der eigenen Projekt- und Ressourcenlage entscheiden, wann sie
auf den trennschärferen Bonitätsindex2.0 umstellen. In jedem Fall stehen die Ansprechpartner von Creditreform
hier beratend und unterstützend zur Verfügung.“
CM: Inwieweit wurden die Erfahrungen und Bedürfnisse der Nutzer der Auskünfte bei der Entwicklung des Bonitätsindex2.0 berücksichtigt?
Ulbricht: „Das natürliche Ziel der Weiterentwicklung eines Auskunftssystems besteht in der Steigerung der Prognosegüte
des Bewertungssystems. Dass dies im Interesse der Nutzer der Auskünfte ist, setzen wir als gegeben
voraus. Die Weiterentwicklung des Bonitätsindex ist darüber hinaus Teil der neuen Auskunftsgeneration, die Creditreform
seit Anfang des Jahres 2010 einführt. Bei der Entwicklung der neuen Auskunftsformate haben wir verschiedene
Marktentwicklungen aufgegriffen. So hat etwa die veränderte Publizitätspolitik vieler Unternehmen
dazu geführt, dass uns heute viel mehr Daten zur Bewertung der Unternehmensbonität zur Verfügung stehen als
noch vor einigen Jahren.“
CM: Stichwort Bilanzdaten: Im elektronischen Bundesanzeiger fehlen viele Jahresabschlussdaten. Wirkt sich
eine Nichtveröffentlichung (oder verspätete Veröffentlichung) von Daten auf die unmittelbare Bewertung von
Unternehmen aus?
Ulbricht: „Unabhängig vom Beispiel der Bilanzdaten gilt, dass die Wahrscheinlichkeit für eine verbesserte Bewertung
mit dem Umfang der zur Verfügung stehenden Informationen ansteigt. Liegen bei der Bewertung wichtige
Informationen wie aktuelle Jahresabschlussdaten nicht vor, bleiben naturgemäß Fragen offen. Allerbeste Bonitätsnoten
sind auf dieser Basis nicht möglich. Creditreform greift für die Bewertung auf jede der jährlich knapp
eine Million beim elektronischen Bundesanzeiger hinterlegten Bilanzen und Geschäftsberichte zu. Darüber hinaus
werden auch Jahresabschlüsse nicht hinterlegungspflichtiger Unternehmen, Gewinn- und Verlustrechnungen
sowie unterjährige Daten etwa aus betriebswirtschaftlichen Auswertungen strukturiert erfasst und bewertet.
Alle Jahresabschlüsse werden einer Bilanz- und Kennzahlanalyse unterzogen. Daraus resultieren jährlich mehr
als 200.000 zusätzliche Klärungsprozesse mit den beauskunfteten Unternehmen. Insbesondere bei Bilanzen
mit negativem Eigenkapital oder bei fehlerhaft veröffentlichten Bilanzen stehen wir in einem engen Dialog mit
den betroffenen Unternehmen.“