Ein Verhaltenskodex allein reicht nicht. Nur wenn Compliance täglich ins
Bewusstsein gebracht wird, ist ein langfristiger Wandel erreichbar.
Bei den meisten Unternehmen beginnt Compliance mit der Krise. Bei BASF war es Ende
der Neunzigerjahre die Aufdeckung des Vitaminkartells. „Damals hätte sich niemand vorstellen
können, dass uns so etwas passieren könnte“, erzählt Eckart Sünner, Chief Compliance
Officer (CCO) der BASF. Auch die deutsche Tochter des Züricher ABB Konzerns
durchlebte Ende der Neunzigerjahre eine Bestechungsaffäre: „Als das Schlimmste überstanden
war, hieß es, Konsequenzen ziehen. Die Rechtsabteilung befragte die leitenden
Angestellten, ob wir uns mit diesem Thema intensiver beschäftigen sollten. Ihre Reaktion
darauf war positiv“, so Rudolf Zimmermann, CCO und Leiter der Rechtsabteilung der ABB
in Deutschland.
Doch auch wenn der Boden für Compliance durch die Krise bereitet ist: Der Mensch
vergisst schnell. Irgendwann kehrt im Unternehmen wieder Ruhe ein, und es wächst Gras
über die guten Vorsätze. Wie schafft man es also, dass Compliance im Unternehmen dauerhaft
gelebt wird? Der berühmte “Tone from the Top” alleine reicht jedenfalls nicht: „Den Vorstand hat man ziemlich schnell auf seiner
Seite, wenn es um die grobe Linie geht. Im Unterbau kann es aber leicht passieren, dass die Bedeutung des Themas nicht erkannt
wird“, erzählt Zimmermann. Wichtig ist deshalb die zielgruppenorientierte Kommunikation. Wer dem Fabrikmitarbeiter einen Code
of Conduct an die Wand klebt, darf keine großen Sprünge Richtung Compliance erwarten.
Zielgruppen im Blick
Dr. Birte Mössner, Leiterin Corporate Compliance beim Energieriesen EnBW, führte gleich zu Anfang eine große Kommunikationskampagne
durch. Der Startpunkt war die Veröffentlichung des Verhaltenskodex, der zusammen mit einem Anschreiben des Vorstandsvorsitzenden jedem EnBW-Mitarbeiter zugeschickt
wurde. Vorbereitet wurde dieser Schritt durch einen Artikel in der Mitarbeiterzeitung und im Intranet. Daneben konnte das Thema auch auf dem Führungskräftetag platziert
werden. „Und das alles getaktet innerhalb von nur wenigen Tagen“, erzählt Mössner. „Dank dieser Informationsoffensive ist das Thema Compliance in das Bewusstsein
der ganzen Mannschaft eingedrungen.“ Dabei hatte Mössner die verschiedenen Zielgruppen immer im Blick: „Bei der Präsentation gegenüber dem Management erkläre ich, wieso wir dieses oder jenes Thema aufgreifen.
Denn die Führungskräfte fühlen sich durch Compliance schnell eingeschränkt. In der Kommunikation gegenüber anderen Mitarbeitern versuche ich dagegen, in erster Linie
Hilfestellung und Orientierung für alltägliche Fragen zu geben. Grundsätzliche Diskussionen gibt es auf dieser Ebene nicht.“
Zimmermann setzt auf permanente Offensive. Sein Konzept besteht aus dem Zusammenspiel eines Integrity-Leadership-Ansatzes, von Präsenzschulungen und der täglichen
Kommunikation durch das Intranet. „Bei dem Integrity-Leadership-Ansatz sprechen wir die Führungskräfte gezielt an, die dann die Botschaft in ihre Bereiche tragen
müssen“, erklärt Zimmermann. „Anders kriegt man die Botschaft nicht durch.“ Neben den regelmäßigen Präsenzschulungen, je nach Mitarbeitergruppe zu unterschiedlichen
Themen, gibt es alle zwei Jahre noch Schulungen zum Code of Conduct. In Kürze möchte Zimmermann auch einen internen Newsletter einführen, der in regelmäßigen Abständen
erscheinen und an alle Mitarbeiter per E-Mail versandt wird. Der Newsletter soll interessante Geschichten, neue Richtlinien und Q&As umfassen. „Wir versuchen, die Geschichten
positiv zu verpacken. Es soll vor allem eines klarwerden: Compliance zahlt sich aus“, erzählt Zimmermann. Da Compliance damit steht und fällt, ob sie in den Unternehmen wirklich
gelebt wird, ist auch bei den Schulungen die aktive Einbeziehung der Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung. Denn nur in der Diskussion ist es möglich, auf die Bedürfnisse der
Mitarbeiter einzugehen und Botschaften zu platzieren. „Das nützt aber auch mir, da ich so die Sorgen und Probleme der Mitarbeiter besser kennenlerne“, sagt Zimmermann.
Bewusstseinsänderung
Aus psychologischer Sicht sind nur diese permanenten Anstrengungen zielführend. „Eine Einstellungsänderung ist im Fall von Compliance wichtiger und auch wesentlich
schwieriger zu erreichen als einfach nur Verhaltensänderung“, erklärt Ulrike Führmann, Beraterin für interne Kommunikation. Wer Compliance im Unternehmen nicht nur erfolgreich
einführen, sondern auch umsetzen möchte, muss darauf achten, dass die Mitarbeiter auf vielen Kanälen erreicht werden und Compliance ständig vor Augen haben.