Dr. Hans-Joachim Fritz von der Kanzlei Kaye Scholer ist gegen eine Belohnung für Whistleblower. Sie könnte Handlungen aus unlauteren Motiven fördern.
>> In den USA hat der Fall des Pharmakonzerns Pfizer hohe Wellen geschlagen. Die Aufklärung des Sachverhalts wurde nur mit Hilfe eines Hinweisgebers möglich, der dafür 51,5 Million US-Dollar kassierte. Ist dort die
Belohnung gesetzlich geregelt?
<< Nein, eine Belohnung ist in den USA nicht gesetzlich vorgesehen. Allerdings war es in dem Fall Pfizer klar, dass ein Anreiz geschaffen werden musste, und die Belohnung
wurde von der Behörde Food and Drug Administration (FDA) für den entscheidenden Hinweis ausgelobt. Einiges spricht dafür, dass dies vorher nicht mit Pfizer abgesprochen war. Denn erst im Zuge
des Vergleichs verpflichtete sich Pfizer, ein Compliance-Programm zu installieren.
>> Offensichtlich wird mit dem Thema Bezahlung für Whistleblowing in den USA anders umgegangen als in Deutschland?
<< Vieles läuft in den USA in dem Punkt anders als in Deutschland, wo man verpflichtet ist, bei einem erkannten Missstand erst einmal intern Abhilfe zu schaffen. In den USA
dagegen werden bestimmte Bereiche einfach zum Teil des öffentlichen Interesses erklärt. Damit sind häufig nicht die Unternehmen, sondern externe Stellen wie das FDA erste
Ansprechpartner für Whistleblower. Die Konsequenz daraus ist klar: Je schwerwiegender ein Vorwurf ist, desto weniger Schutz darf einer durch das Gesetz erwarten. Er soll aber
wirtschaftlich nicht ins Bodenlose fallen. Deshalb wird eine Belohnung ausgelobt.
>> Sie selbst haben sich bereits gegen eine Einführung einer solchen Belohnung für Whistleblower in Deutschland ausgesprochen. Würde das nicht auch hier die Ermittlungen erleichtern?
<< Nicht unbedingt, weil die Gefahr besteht, von Hinweisen überflutet zu werden. Einige wären voraussichtlich sachfremd, weil sich der Hinweisgeber allgemein vom Stress mit
dem Vorgesetzten leiten ließe oder sich darüber ärgert, bei einer Beförderung oder Belohnung übergangen worden zu sein. Oft wird Whistleblowing als Racheakt genutzt.
Dann erfolgt der Hinweis nicht aus lauteren Motiven. Würde eine Belohnung in Aussicht gestellt, erhöhte dies die Wahrscheinlichkeit, dass ein Hinweisgebersystem
eher missbraucht würde. Wenn die Hinweise nur für Geld gegeben werden, fördert das die Wichtigtuer. Das Geld korrumpiert.
>> Gibt es trotzdem Situationen, in denen eine Belohnung für Whistleblower auch in Deutschland sinnvoll sein kann?
<< In einer außergewöhnlichen Situation kann ein Unternehmen diesen Schritt erwägen. Zum Beispiel, wenn die Existenz des gesamten Unternehmens bedroht ist, sollte dieser
Schritt – aber nur intern - erwogen werden. Den US-amerikanischen Ansatz halte ich für falsch.
>> Aber würde es in Deutschland überhaupt gehen? Es widerspräche doch der deutschen Rechtstradition…
<< Das stimmt. Problematisch aus deutscher Sicht ist Folgendes: Um Missbrauch zu verhindern, muss sichergestellt werden, dass nur solche Whistleblower eine Belohnung bekommen,
deren Hinweise entscheidend zur Aufklärung eines Sachverhalts beitragen. Daher müsste der Hinweisgeber Tagebuch über die Korruptionsfälle sowie über die durch die
Beteiligten erlangten Vorteile führen. Dazu müsste der Whistleblower aber weiter Teil des korrupten Systems bleiben und sich damit eventuell sogar selbst belasten, was für das
deutsche Recht bedenklich ist.
Quelle: Das Interview führte Irina Jäkel | www.compliance-plattform.de